Der Mann mit der Kamera
Dziga Vertovs, UdSSR 1929,
Der Soundtrack zu "Der Mann mit der Kamera" war eine Auftragskomposition der Biennale-Bern und wurde im Oktober 2005 dort uraufgeführt.
"Ich bin das Filmauge. Ich bin das mechanische Auge. Ich bin die Maschine, die euch die Welt so zeigt, wie nur ich sie zu sehen imstande bin. Von heute an befreie ich mich für immer von der menschlichen Unbeweglichkeit. Ich bin in ununterbrochener Bewegung." Was Dsiga Wertow 1923 niederschrieb, brachte er 1929 mit seinem letzten Stummfilm, dem atemberaubenden "Der Mann mit der Kamera", in formaler Vollendung auf die Leinwand. Frei von narrativen und theatralisch-dramaturgischen Elementen zeigt uns Wertow, wie er den Alltag in Moskau, Kiew und Odessa sieht.
Dsiga Wertow (eigentlich Denis Kaufman), der kurz nach der Oktoberrevolution zur neu geschaffenen Filmwochenschau stiess und später die Filmmonatsschau "Kino Prawda" gründete, war der Überzeugung, dass ein Film das Leben so zeigen sollte, wie es ist. Jegliche fiktive Handlung, jede Inszenierung sei schädlich, verfälsche die Wirklichkeit und diene der Verdummung des Publikums. Die Objektivität sei allein durch das Auge der Kamera gewährleistet.
Wagemutig und virtuos nutzt Wertow alle gestalterischen Möglichkeiten der Filmkamera und der Montage. Obwohl er damit seinem Objektivitätsanspruch widerspricht und zeigt, dass jede filmische Gestaltung Manipulation ist, bleibt "Der Mann mit der Kamera" pures Vergnügen und ein Meilenstein der Filmgeschichte.
Fast achtzig Jahre nach der Premiere des Films nimmt der deutsche Komponist und Klangkünstler Werner Cee das Collage-Prinzip von Wertow auf und fügt eine Filmmusik hinzu, "die niemals den Film kommentieren oder illustrieren, sondern dem Film nur weitere Ebenen hinzufügen kann." Entstanden ist ein Hörfilm, der zeitgleich zu Wertows Stummfilm läuft.